Verfahren zur Objektdigitalisierung in 3D
Die Fotografie als traditionelle Erfassungsmethode für Sammlungsobjekte unterliegt mittlerweile gewissen wissenschaftlichen Standards. Dabei liefert die Orthofotografie, d.h. das Anfertigen fotografischer Aufnahmen in unverzerrten Frontal- und Profilansichten, eine möglichst unverfälschte Dokumentation, die aufgrund dieser Eigenschaften wissenschaftlich vergleichbar und auswertbar ist. Es fehlen ihr aber Informationen zu den geometrischen Eigenschaften des Objekts, der Oberflächenbeschaffenheiten oder seiner Materialität.
In diesem Blogbeitrag wollen wir daher die wichtigsten Verfahren der 3D-Erfassung von Sammlungsobjekten kurz vorstellen und miteinander vergleichen.
Objekte in 3D zu publizieren, bietet eine Reihe von Vorteilen: Zum einen sind die Modelle global verfügbar, beliebig reproduzierbar und nicht abhängig von Öffnungszeiten der Museen oder Bibliotheken. Zum anderen ist das Handling der Modelle einfach und erfolgt berührungsfrei. So ist es leicht möglich, den Betrachterstandpunkt (z.B. durch Drehen, Zoomen oder Nebeneinanderstellen des 3D-Modells) individuell zu verändern. Damit sind ganz andere Formen der Interaktion mit den Sammlungsgegenständen möglich, als es an den teilweise überlebensgroßen oder fragilen Originalobjekten je möglich wäre. Entsprechend lassen sich Messungen (z.B. zur Bestimmung der Maßgleichheit von Kopien) am Modell viel leichter durchführen als am Original. Aber auch die Veränderbarkeit der 3D-Modelle ist von entscheidender Bedeutung. So lassen sich historische Zustände wiederherstellen, Rekonstruktionen vornehmen und Fragmente zuweisen. Hochauflösende 3D-Scans werden zudem häufig verwendet, um Details zu analysieren, die für das menschliche Auge nur schwer zu erkennen oder systematisch auszuwerten sind. (Beispiele: GigaMesh-Projekt, CGAL)
Auch zur Verbesserung der archäologischen Dokumentation eignen sich 3D-gescannte Modelle, die durch Anwendung von Bildverarbeitungsalgorithmen in verschiedene Arten von Darstellungen übersetzt werden können, wie z.B. Screenshots der 3D-Aufnahmen bei künstlichem Streiflicht oder 2D-Linienzeichnungen, die die Wahrnehmbarkeit wichtiger Details signifikant verbessern.
Methoden der Erfassung umspannen die Messung von 2D- oder 3D-Daten durch Einscannen, Abfotografieren, Fotogrammetrie, Tomographie sowie weitere Vermessungstechniken. Davon ist die 3D-Modellierung zu unterscheiden, die immer eine komplette Konstruktionszeichnung ex novo am Bildschirm impliziert, was auch als Computer Aided Design (CAD) bezeichnet wird. Unter Verwendung von Computerprogrammen werden zweidimensionale Zeichnungen oder virtuelle, dreidimensionale Modelle der Objekte erstellt oder ergänzt. Als Grundlage des CAD können Zeichnungen und Fotografien dienen.
Bei einem CAD geht es meist um die ideale Gestalt des Objekts und nicht um die Variaton kleinster Details. Das dreidimensionale Modell kann neben geometrischen Eigenschaften des Körpers auch Volumen und Materialeigenschaften des Objektes enthalten. Ein mit CAD erstelltes Modell kann wegen seiner geringen Dateigröße performancegünstig in Web-Datenbanken oder virtuelle Umgebungen eingebunden werden.
Im Gegensatz dazu versucht das Scannen durch Vermessung des Objekts ein 3D-Modell zu erstellen, das jenem möglichst ähnlich ist. 3D-Scanner nutzen dazu optische Geräte (z.B. einen Laser und eine Kamera), um die Krümmung der Oberfläche zu messen und so die Geometrie physischer Objekte als Punktwolken oder Netze abzubilden. Die zur Erstellung eines sogenannten Meshs genutzte Triangulierung ist ein altes mathematisches Verfahren, mit dem eine gekrümmte Fläche in Dreiecke zerlegt wird, die leicht berechnet werden können. Zusätzlich zum Mesh kann ein 3D-Modell die Farbinformationen der Oberfläche entweder auf den einzelnen Punkten oder auch separat als Textur speichern. Die Textur verhält sich dabei wie eine Hülle, die das Modell verkleidet.
Für eine schnelle, aber nicht ganz so hochwertige Dokumentation kann ein Infrarot- oder ein Laserscanner, der die Geometrie erfasst, genutzt werden. Diese mittlerweile meist sehr handlichen Scanner eignen sich auch, um vollkommen unbewegliche Stücke zu erfassen. Während Infrarotscanner eine stetige Übertragung durch zwei aufeinander abgestimmte Infrarotkameras liefern (s. Fraunhofer: Infrarot 3D-Scanner), arbeiten Laserscanner zur Vermessung von Oberflächen mittels Abstandsmessung in Form von Objektgeometrie und Signalintensität (Beispiel: Michelangelo Projekt, erste Laserscanner-Anwendung dieser Art in 1998).
In der Industrie kommen häufig Laservermessungs-3D-Scanner mit einer kurzen Reichweite von unter einem Meter Fokalabstand zum Einsatz, was zu Schwierigkeiten in der Erreichbarkeit führen kann.
Beim Weißlichtscan erfolgt die Messung der Oberfläche nicht mit einer Laserlinie, sondern mit strukturiertem Licht. Dabei projeziert eine Art Beamer ein raumgreifendes Streifenmuster auf das Objekt. Aus der Krümmung der Linien lässt sich mittels Triangulation die Geometrie des Körpers berechnen. Je besser die verwendeten Objektive sind, desto exakter wird die Messung. Die so erstellten 3D-Modelle sind daher in der Regel sehr genau und weisen eine hohe Auflösung auf, sodass jede Unebenheit in der Objektoberfläche sichtbar wird. Entsprechend hoch ist die Zahl der Dreiecke des 3D Modells.
Allerdings können lichtdurchlässige oder stark reflektierende Oberflächen nur sehr schwer erfasst werden, ebenso wie Teile, die z.B. durch Unterschneidungen verdeckt werden.
Auch der Weißlichtscanner ist mittlerweile auf dem Consumer-Markt angekommen, wo für relativ wenig Geld auch portable Geräte angeboten werden. Die Optik in günstigen Geräten ist jedoch meist dem Preis entsprechend und kann so den wissenschaftlichen Ansprüchen häufig nicht gerecht werden.
Anstelle von Scannern kann man zur 3D-Erfassung auch handelsübliche Digitalkameras unter Einsatz von Fotogrammetrie einsetzen. Dabei wird aus einer Serie von Fotos oder digitalen Bildern aus unterschiedlichen Perspektiven eine Menge von 3D-Punkten berechnet. Entsprechende Computerprogramme suchen daher übereinstimmende Punkte zwischen den Fotografien und berechnen damit den Abstand und die Position zur Kamera, um die Punkte exakt im Raum anordnen und daraus ein 3D Modell erzeugen zu können (s. Vergleich der Fotogrammetrie-Software in wikipedia). Dafür werden die Fotos immer unter gleichen Bedingungen (wie Beleuchtung, Verschlusszeit, Weißabgleich) gemacht. Das Objekt wird deshalb aus verschiedenen Kamerapositionen aufgenommen, um hinreichend viele sich überlappende Fotos zu erhalten. Software mit sog. multi-view stereo matching Algorithmen automatisieren darauf basierend den Abgleich der Bezugspunkte.
Mit Hilfe der Fotogrammetrie lassen sich relativ genaue 3D Modelle erstellen, deren Geometrie aber meist hinter der guten fotografischen Wiedergabe der Oberfläche zurückbleibt. Dem Objekt wird im Anschluss an die Berechnung die aus den Fotos extrahierten Farbinformationen in Form einer Textur zugeordnet. Diese Methode ist besonders gut für Objekte geeignet, deren Farbigkeit und Oberflächengestaltung wichtig sind, da die Qualität der Fotos auch die Qualität der Textur definiert.
Die Computertomografie (CT) ist ein medizinisches, bildgebendes Verfahren, bei dem ein Computer genutzt wird, um auf Grundlage von Röntgensignalen digitale Schnittbilder physischer Objekte zu erzeugen. Dadurch ist auch ein Bild des Inneren des Objekts möglich. Notwendig ist eine große Zahl von Röntgenaufnahmen aus verschiedenen Richtungen und in verschiedenen Positionen.
In der Bild- und Objektwissenschaft sind digitale CT-Schnitte hilfreich, wenn die Sicht auf das Innere eines Objekts von außen nicht möglich ist. Dies kann z.B. bei geschlossenen Gefäßen der Fall sein. Der digitale Schnitt kann auch zum Abgleich mit analogen Profilzeichnungen genutzt werden.
Vergleicht man CT und Weißlichtscan, so werden die jeweiligen Vorzüge der beiden Verfahren deutlich. Das Innere eines Objekts kann nur die Röntgen-Computertomografie erfassen. Die Oberfläche mit allen Details auf der Außenseite dokumentiert ein hochauflösender Weißlichtscanner am besten. So resultiert aus jedem Verfahren ein angemessenes Einsatzgebiet. Schwächen und Stärken der verschiedenen Methoden müssen an das zu digitalisierende Objekt, sowie der Anspruch an das Digitalisat angepasst werden.
Neben den Errungenschaften gibt es im Bereich der 3D-Digitalisierung auch eine Vielzahl an Herausforderungen. So stellt bereits die Digialisierung einer signifikanten Menge an Sammlungsobjekten in 3D eine erste Hürde dar. Eine Massendigitalisierung von Kulturgut ist nach wie vor ein aktives Forschungsfeld (Beispiele: Fraunhofer; Google Arts & Culture).
Dabei liegt das Problem nicht nur in der Technik, sondern vor allem im Handling der oftmals sehr empfindlichen Objekte. Der Schutz des Originals steht aus musealer Sicht immer an erster Stelle, wodurch sich Digitalisierungsverfahren an den daran existierenden Standards orientieren müssen.
Die Struktur wissenschaftlicher Repositorien, sowie die wissenschaftliche Dokumentation der Meta- und Paradaten ist im Objektbereich ebenfalls noch nicht hinreichend geklärt. Anders als z.B. bei digitalen Editionen und virtuellen Räumen muss sich dies für 3D-Objektdaten noch etablieren.
Literatur:
Booklet: „Analoge und digitale Erfassung von Sammlungsobjekten im Vergleich“.
https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/0150523b90a0f69d824249f80cf97a64.pdf/BookletA4.pdf
“Image and Artefact Data” im wiki “Digital Humanities”: https://dh.wiki.gwdg.de/doku.php?id=34e_image_data
Nick Lievendags Website 3D SCAN EXPERT: https://3dscanexpert.com/3-free-3d-scanning-apps/
Kate Kelley and Rachel KL Wood, eds. Digital Imaging of Artefacts: Developments in Methods and Aims. Archaeopress Publishing Limited, 2018.
https://eprints.soton.ac.uk/426431/1/seals2018.pdf
Steven D. Laylock et al., Combining x-ray micro-ct technology and 3D printing for the digital preservation and study of a 19th century cantonese chess piece with intricate internal structure, Journal on Computing and Cultural Heritage 5, no. 4 (Jan. 2013), 13:1–13:7.
http://doi.acm.org/10.1145/2399180.2399181
Michael Zollhöfer et al., State of the Art on 3D Reconstruction with RGB-D Cameras, Computer Graphics Forum 37 (2018), 625-652.
http://www.zollhoefer.com/papers/EG18_RecoSTAR/paper.pdf
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