Das DFG-Schwerpunktprogramm „Das digitale Bild“ führt 12 unterschiedliche Forschungsprojekte deutscher Universitäten zusammen und fokussiert sich dabei auf die zentrale Rolle, die dem Bild im Prozess der Digitalisierung von Wissen und Praxis zukommt. Unter der übergeordneten Thematik behandeln die Teilprojekte je eigene Fragestellungen – so bildet das Programm den Facettenreichtum und transdisziplinären Charakter des Forschungsfeldes ab, während gleichzeitig enge Zusammenarbeit und produktiver Austausch der Forschenden angestrebt wird.
In regelmäßig stattfindenden Tagungen und Workshops wird dieser Dialog kultiviert und fortgeführt – gerne möchten wir auch Sie dazu einladen.
Das „digitale Bild” ist nicht isoliert zu denken. Es ist grundsätzlich eingebunden im Umfeld aufwändiger technischer Infrastrukturen, erscheint kontinuierlich modifiziert und kontextualisiert, ist integriert in jenen pauschal als „social media” bezeichneten Kommunikationskanäle, deren „soziale” Komponente inzwischen oft mit einem Fragezeichen versehen wird. Unübersehbar ist damit die soziale und politische Dimension, die in der für den 28. bis 30. April geplanten dritten Tagung des SPP „Das digitale Bild” kritisch adressiert werden soll.
Ausgangspunkt ist eine sich verändernde Stimmungslage. Das Freiheitsversprechen, mit dem die digitalen Medien einstmals angetreten sind, hat seinen euphorisierenden Klang verloren. Es verdient gerade deswegen in Erinnerung gerufen und neu diskutiert zu werden. Bis in die 2010er-Jahre dominierte das Vertrauen auf die unbegrenzten Möglichkeiten eines schwellen-, schrankenlosen, dezentralen Austausches von Wissen und Wissenschaft sowie die Ermöglichung einer hierarchiefreien gesellschaftlichen Kommunikation. Schon wieder fast vergessen sind damit verbundene Namen wie Clay Shirky und Jeff Jarvis, die die frohe Botschaft vom Siegeszug der Netzgesellschaft verbreiteten und noch bis vor wenigen Jahren große Zustimmung fanden. Die Euphorie der Anfänge ist inzwischen einer generellen Skepsis gewichen, die gerade auch die verbreiteten publizistischen Organe prägt und auch in geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzungen zunehmend den Diskurs bestimmt. Bei den sozialen Medien wird heute grundsätzlich darauf hingewiesen, dass das „sozial” in Anführung zu schreiben sei, weil sie der Tendenz zur Polarisierung Vorschub leisteten und sogar Hassreden provozierten. Auch die wirtschaftlichen Effekte müssen heute, im Zeitalter von immer dominanteren Monopolisten wie Google und Amazon, kritisch gesehen werden. Die Digitalisierung wirkt vielfach disruptiv, was aber häufig nicht mehr im Schumpeterschen Sinne positiv gemeint ist. Politisch scheinen Extremismus und Populismus im Internet stärker zu profitieren als jenes große aufklärerische Projekt der fortgesetzten Moderne, dem sich die Pioniere fraglos verpflichtet fühlten.
In der für den 28. bis 30. April geplanten Konferenz des SPP soll über dieser jüngeren kritischen Debatte die ursprüngliche Idee eines freiheitlichen, aufklärerischen Aufbruchs nicht vergessen, sondern in eine neue Diskussion eingebunden werden. Hierzu sollen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte und Herausforderungen einer sich maßgeblich auf das Bild einlassenden digitalen und digitalisierten Kommunikationssituation auch in ihrer wechselseitigen Bedingtheit thematisiert werden.
Ein Schwerpunkt kann die Diskussion der Rolle des digitalen Bildes innerhalb der zurzeit besonders intensiv diskutierten und sich rasant entwickelnden Künstlichen Intelligenz sein. Weiterhin ist ein möglicher Ausgangspunkt die schon vielfach diskutierte und für das SPP zentrale Vermutung, dass Bilder mit einer besonderen Plausibilität daherkommen, da ihnen im alltäglichen Bewusstsein ein hoher Realitätsgehalt bescheinigt wird. Das Ziel der Veranstaltung müsste es sein, eine Perspektive zu entwickeln, die nicht hinter den neuen Entwicklungen zurückbleibt, um diese immer nur vor der Folie der Vergangenheit zu bewerten. Vielmehr streben wir danach, eine Position gleichsam vor diesen einzunehmen, die Existenz der digitalen Medien also für gegeben anzunehmen und Konsequenzen, vielleicht auch Leitlinien und Ziele für eine produktive Konstellation zu beschreiben und zu analysieren.
Die Möglichkeiten der Zukunft sind naturgemäß grenzenlos. Die Möglichkeiten der digitalen Technologie für die Kommunikation, Wirtschaft und nicht zuletzt die Wissenschaft sind noch lange nicht ausgeschöpft. Welche Entwicklungen können wir aus der (kurzen) Geschichte des noch jungen digitalen Bildes für die nächste Zeit erhoffen oder uns ausmalen? Welche Visionen sind möglich? Welches Potenzial zeichnet sich ab? Was sind die Möglichkeiten und Gefahren?
Mit: Yvonne Zindel (Universität der Künste Berlin), Kerstin Schankweiler (Technische Universität Dresden), Geert Lovink (Institute of Network Cultures – Amsterdam University of Applied Sciences), Andreas Treske (Bilkent University, Ankara), Jeffrey Schnapp (Harvard University, Cambridge/MA), N. Katherine Hayles (English Department, University of California, Los Angeles)
In dieser Sektion sollen Grundsatzreferate mit expliziter Adressierung der politischen Dimension vorgetragen werden. Was bedeutet die Integration der digitalen Bilder in unsere Gesellschaft? Welchen Anteil an der kontinuierlichen Digitalisierung unserer Kommunikation und unseres Sozialverhaltens haben die digitalen Bilder? Wie unterscheidet sich unsere aktuelle “digitale Kultur” von jener der vorangehenden – der “Gutenberg-Kultur” z.B. oder gar einer oralen Kultur – von der wir typischerweise nur vom Hören-Sagen wissen können, die wir uns aber mindestens vorstellen können? Ist es z.B. zu einer neuen Bild-Schriftlichkeit gekommen, welche die sprach- und textbasierte Kommunikation des Telefon- und Email-Zeitalters ablöst? Inwiefern und warum könnte es jetzt geboten sein, in kulturkritischer Absicht das größere Bild des digitalen Wandels einer fundamentalen Betrachtung zu unterziehen? Müssen jetzt Weichen gestellt werden, für eine kontrollierte, demokratische Sozialisierung der digitalen Sphäre – und noch einmal – welche Rolle spielt in diesem Feld das “Bild”? Sind wir gerüstet für eine Kritik der digitalen Bildkultur?
Mit: Omar Al-Ghazzi (The London School of Economics and Political Science), Karen Joisten (Technische Universität Kaiserslautern), Zivvy Epstein (MIT Media Lab, Cambridge/MA), Jill Walker Rettberg (University of Bergen) , Felix Stalder (Zürcher Hochschule der Künste)
Das Digitale und das digitale Bild im Besonderen ist längst keine Angelegenheit von Computer-Freaks und digitalen Early Birds mehr. Polemisch könnte man sogar formulieren, auch das Kulturelle und Künstlerische wird in der digitalen Sphäre zur ökonomischen Angelegenheit, zur Ware. Daraus kann für eine kritische Reflexion des Digitalen nur gefolgert werden, dass wir uns ernsthaft auch mit den konkreten Fragen der Ökonomie des digitalen Bildes befassen müssen. Hier sind Perspektiven von Fachleuten gefragt, welche diese Dimension von juristischer und/oder ideeller Warte beleuchten können.
Mit: Tim Schätzke (Marketingagentur Gandayo, Steinau an der Straße), Cameron-James Wilson (Founder and CEO, The Diigitals, Weymouth/Dorset), Mareike Foecking (Hochschule Düsseldorf – Peter Behrens School of Arts), Trevor McFedries (Technology Startup Brud, Los Angeles), Diana Weis (BSP Business School Berlin)
Das Tagungsprogramm steht Ihnen gemeinsam mit Kurzinformationen zu den Vorträgen und Vortragenden auch als PDF-Dokument zur Verfügung.
Sollte bei der Anmeldung etwas nicht klappen, schreiben Sie gerne direkt an dasdigitalebild@kunstgeschichte.uni-muenchen.de und wir nehmen Sie in die Liste auf.