PROJEKTABSTRACT
Das Aussehen des Internets ist maßgeblich durch die Browserdarstellung geprägt. Ein Web-Browser ist ein Anwendungsprogramm, welches das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) nutzt um Daten von Servern des WWW auf Anweisung der Nutzenden zu transferieren. Diese Vermittlungsfunktion wird ergänzt durch die Funktion, den HTML-Code der abgefragten Dateien auszuführen. Es resultiert eine Darstellung, die das Interface zwischen dem Internet und dem Bildschirm der Nutzenden ist. Seit der Einführung des ersten grafischen Browsers „Mosaic 1.0.3“ am 27. Januar 1994 bleiben die kommerziellen Browser – trotz leichter Unterschiede in der Darstellung der Inhalte – formal der Seitenmetapher verbunden. Solange sich alle Browser weitestgehend auf Konventionen der Ausführung von HTML-Code einigen, entsteht die Illusion von Stabilität und Konstanz der Struktur des Webs. Die Inhalte werden mit dieser Erwartung generiert. Aber was wäre, wenn diese Anweisungen anders interpretiert werden als beabsichtigt? Vielleicht radikal anders?
Seit Mitte der 1990er Jahre befassen sich Kunstschaffende produktiv in eigenen Anwendungen mit den typischen Designelementen, Strukturen und Funktionen von Internetbrowsern. Diese Kunstbrowser entwickeln Alternativen zu den etablierten Metaphern, setzen abweichende Prioritäten, dekonstruieren oder reorganisieren ihre Infrastruktur als Interface zum World Wide Web. Sie bieten den Nutzenden dabei nicht nur neue Darstellungsmodi, sondern oft auch neue Funktionen und regen damit zum Hinterfragen bzw. Überdenken existierender Kategorien an.
Das Forschungsprojekt untersucht diese künstlerischen Browser und wie diese Internetinhalte darstellen. Konzeptuell werden diese dabei als Bildmaschinen aufgefasst, womit die Arbeitshypothese einhergeht, dass sie aufgrund ihrer programmierten Struktur und dem dynamischen Bildaufbau Einsichten bereithalten, die eine Theorie des digitalen Bildes informieren können. Das Ziel dieses Projekts ist es, die der Wahrnehmung entzogenen und unzugänglichen Prozesse der digitalen Infrastruktur greifbar und verständlich zu machen. Wie jedoch können Programmmechanismen bei ihrer Ausführung in actu untersucht werden? Um über ein generalisiertes Strukturdiagramm – welches nur den grundlegenden technischen Aufbau wiedergeben kann – hinauszugehen, arbeitet das Projekt mit der Erzeugung und dem Vergleich von zeitbasierten Portraits des Laufverhaltens der Programme. Dies ermöglicht es, die Synthese von Internetinhalten browserspezifisch zu beobachten, die überdeckten Prozesse aufzuzeigen und sie auf der Ebene ihrer Prozeduren und Funktionsmechanismen zu vergleichen. Der Analysebereich wird so von der sensorisch wahrnehmbareren Bildschirmausgabe auf die Prozesse der Programmmechanik erweitert. Dadurch kann eine bis dato unbeachtete Ebene des Designs in die Untersuchung einbezogen werden und codebasierte Unterschiede zwischen den Browserbeispielen können besser verstanden werden.
Zusätzlich zu etablierten kunsthistorischen Methoden ist das Projekt dadurch geprägt, dass ein Creativ-Imaging-Zugang entwickelt wird. Aufgrund der Codebasiertheit ist ein systematischer Zugriff auf die „prozessuale Logik“ der Browserausführung mit der Hilfe von Software möglich. Um dem Browser bei seiner Programmausführung tatsächlich „zusehen“ zu können, muss eine Visualisierung entwickelt werden. Die individuelle Funktionalität der Programmmechanik wird untersucht, indem unterschiedliche Visualisierungs- und Analysewerkzeuge verglichen, sowie auf die Internetbrowser angepasste Visualisierungen entwickelt werden. Das Ausloten der Möglichkeiten und Grenzen einer derartigen computerbasierten Visualisierung als methodisches Werkzeug wird in die Untersuchung einbezogen. Diese Herangehensweise ist dadurch möglich, dass das Forschungsprojekt die Methoden und Expertise aus Visual Design, den Computerwissenschaften, den Software Studies und der Kunst- oder Bildgeschichte zusammenführt.
TEAM
Inge Hinterwaldner, Karlsruher Institut für Technologie
Daniela Hönigsberg, Karlsruher Institut für Technologie
Konstantin Mitrokhov, Karlsruher Institut für Technologie
Martina Richter, Karlsruher Institut für Technologie
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