Fahrzeugfotografie in Videospielen: Wie Screenshots in Forza Horizon 5 entstehen

Fahrzeugfotografie in Videospielen: Wie Screenshots in Forza Horizon 5 entstehen

Von Tim Trela

Die Automobilindustrie spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Popularisierung der Fotografie. Besonders die Faszination für das Auto zieht sich durch viele kulturelle Bereiche und hat schon früh den Markt für Videospiele erreicht. Eines der erfolgreichsten Rennspiele ist Forza Horizon 5, welches sich vor allem mit einem Feature von anderen Spielen abhebt: dem Photo Mode. Mit diesem kann der Nutzer Screenshots von Fahrzeugen selbst herstellen. Aber woher weiß der Nutzer, wie ein Fahrzeug gescreenshottet werden sollte? Dafür ist ein Blick in die Vergangenheit unverzichtbar.

Fahrzeugfotografie

Als Daimler Benz 1888 mit seinem Dreirad mit Eintaktmotor von Mannheim nach Pforzheim reiste, ahnten wohl wenige Mitbürger, welche folgenreiche Erfindung gerade an ihnen vorbeifuhr. Bei dieser Gelegenheit wurde das Fahrzeug auch fotografiert. Das erste Bild eines Automobils ist so entstanden.

Von dort an bis heute macht die Fotografie von Fahrzeugen einen wahren Wandel durch und wächst mit den Techniken und Entwicklungen der Fotografie. Die ersten Fotografien waren primär für dokumentarische und werbliche Zwecke gedacht. Ingenieure wollten ihre neuen Entwicklungen oder Technologien dokumentieren, aber auch Partner und Investoren überzeugen, dass die Technik funktioniert.

Die Geschichte des Automobils nimmt von dort an seinen Lauf und blieb keine Randerscheinung eines Tüftlers aus Baden. Mit der Erfindung der Fließbandfertigung und dem wirtschaftlichen Aufstieg in den 1920er Jahren wurde das Automobil zum Massenprodukt, was große Auswirkungen auf die mediale Darstellung der Fahrzeuge hatte.

Auf den verschiedensten Werbeplakaten versuchten die Hersteller, die Öffentlichkeit mit Bildern ihrer neuesten Modelle zu begeistern. In dieser Zeit wurden Fahrzeuge oft statisch dargestellt, da es sich meist um Zeichnungen oder Grafiken handelte. Kameras waren zu diesem Zeitpunkt mit vielen technischen Beschränkungen verbunden und der Druck der Fotografien für Werbezwecke war äußerst teuer.

Erst in den 1960er Jahren wurden Fotografien in der Automobilindustrie immer präsenter. Grund dafür war, dass die Kameras zunehmend kompakter, leistungsfähiger und erschwinglicher wurden. Die Einführung von automatischen und integrierten Belichtungsmessern und schnelleren Filmtypen erleichterte die Aufnahme von hochwertigen Bildern und reduzierte die Notwendigkeit für aufwändige manuelle Anpassungen.

Der Fotoprozess wurde dadurch insgesamt effizienter und kostengünstiger. Darüber hinaus wurden neue Drucktechniken erfunden, welche es ermöglichten, Fotografien nicht nur kostengünstig, sondern auch in großen Mengen herzustellen.

Alle Weichen wurden gestellt, um die kommerzielle Fahrzeugfotografie zu ermöglichen. Mit dem kommerziellen Interesse am Verkauf der Automobile entstand gleichzeitig ein großes Interesse an deren Vermarktung und Visualisierung. Das Auto wurde zunehmend zu einem Symbol für Freiheit und Individualität, was die Werbebranche durch dynamische, schnelle und leistungsfähige Fahrzeuge versuchte zu betonen. Die daraus resultierende Werbefotografie der verschiedenen Hersteller in den 1960er und 1970er Jahren etablierte Perspektiven und Fotografietechniken, die bis heute aktuell sind – auch wenn die Herstellung mittlerweile einfacher ist und digital erfolgt.

Werbeplakat BMW

Abb. 1: Werbeplakat BMW 1800TI, 1960

Das prominenteste Beispiel ist der Rolling-Shot, der erstmals in den Werbeanzeigen von BMW 1960 Anwendung fand (Abb. 1). Das Plakat zeigt den BMW 1800 TI bei einem Straßenrennen, zu erkennen an der Nummer auf der Beifahrertür. Die Fotografie auf dem Plakat zeigt das Fahrzeug in Bewegung und ist im oberen Teil des Plakats flächig platziert. Unterhalb des Fotos findet man den Claim „Vielseitig“mit einem Werbetext zum Modell direkt darunter. Am Ende des Textes ist ein großes BMW-Logo zu sehen zusammen mit der Modellbezeichnung des Fahrzeugs.

‚Rolling-Shot‘ meint in der Fahrzeugfotografie die Aufnahme eines Fahrzeugs, das sich in Bewegung befindet. Charakteristisch für diesen Shot ist es, die Dynamik und Geschwindigkeit eines Fahrzeuges zu visualisieren. Meistens sind die fotografierten Fahrzeuge auf einer offenen Straße, Renn- oder Offroadstrecke zu sehen. Dabei ist meist das Fahrzeug scharf im Fokus, während der Hintergrund verwischt wird.

Um einen Rolling-Shot zu erzeugen, muss sich die Kamera in gleicher Geschwindigkeit wie das Fahrzeug bewegen. Dadurch wird simuliert, dass sich die Kamera und das Fahrzeug in einer statischen Situation befinden und nur die Umwelt sich bewegt. Die Umwelt wird unscharf, verschwommen und es entsteht ein Verzerrungseffekt.

Aufgrund dieser Machart werden Rolling-Shots oft aus identischen Perspektiven aufgenommen. Entweder fotografiert der Fotograf das Automobil aus einem sich parallel bewegenden Fahrzeug oder bewegt die Kamera in identischer Geschwindigkeit zum Automobil, das vorbeifährt. Letzteres war bei den ersten Rolling-Shots der Standard.

Ein weiterer etablierter Shot ist der Static-Shot. Besonders ikonisch ist die Werbung von BMW aus den 1990er Jahren. Der 5er BMW ist ein Fahrzeug aus dem Luxussegment und verfügte zum damaligen Zeitpunkt über eine Vielzahl von Extras. Der Static-Shot ist dem Namen nach ein Bild von einem Fahrzeug, welches stillsteht. Er legt den Fokus auf Detailgenauigkeit und versucht, die Details des Fahrzeuges zu erfassen.

Werbeplakat 5er BMW

Abb. 2: Werbeplakat 5er BMW, 1980

Das Fahrzeug wird bei dieser Fototechnik kontextualisiert. Offroad-Fahrzeuge werden in der Wüste oder im Sumpf präsentiert, Camper in der Natur, Kleinwagen in der Stadt und Sportwagen auf der Rennstrecke. Da es sich im Falle des 5er BMW um eine Luxuslimousine handelt, wird sie dementsprechend vor einem Bürogebäude mit Geschäftsleuten in Anzügen gezeigt (Abb. 2).

Bei einem Static-Shot werden nur bestimmte Brennweitenbereiche von 28 mm bis maximal 85 mm verwendet, um die Umgebung zeigen zu können und die Form des Fahrzeuges nicht zu stark zu verzerren. In dieser Machart werden die meisten Fahrzeugfotos bis heute hergestellt.

Es kommen im Laufe der Jahre noch weitere Shots dazu, wie zum Beispiel: der Interior-, Detail-, Action- oder Drone-Shot. Diese werden durch kleinere Kameras, neue Objektive oder im Falle der Drohne durch neue Kameratechnik überhaupt erst möglich. Im Rahmen des Beitrags beschränke ich mich aber auf den Static- und den Rolling-Shot.

Die Bedeutung der Fahrzeugfotografie in der Werbung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie ist ein zentrales Element der Markenkommunikation und trägt entscheidend zur Wahrnehmung eines Autos bei. Hochwertige Fotografien zeigen nicht nur die technischen Merkmale eines Fahrzeugs, sondern auch dessen Design.

Darüber hinaus entstand die Fahrzeugfotografie als Genre erst nachdem die Hersteller das Auto als alltägliches Produkt etablieren konnten. Die Verknüpfung des Produktes mit Emotionen sprechen die Träume und Wünsche der Konsumenten an und schaffen eine Verbindung zwischen dem Produkt und dem Betrachter. Ein gut inszeniertes Foto eines Fahrzeugs kann die Ästhetik und den Charakter eines Autos einfangen und sichtbar machen.

In der heutigen digitalen Ära hat die Bedeutung der Fahrzeugfotografie noch weiter zugenommen. Mit der Verbreitung von sozialen Medien und Online-Marktplätzen sind visuelle Inhalte allgegenwärtig und müssen sich in einem Meer von Bildern behaupten.

Hierbei spielen ästhetisch ansprechende und technisch perfekte Fahrzeugfotografien eine Schlüsselrolle. Sie sind nicht nur in traditionellen Printmedien, sondern auch auf Websites, in sozialen Netzwerken und in den digitalen Werbekampagnen präsent. Die Fähigkeit, Emotionen zu wecken und Aufmerksamkeit zu erregen, macht die Fahrzeugfotografie zu einem unverzichtbaren Werkzeug im Arsenal der Automobilhersteller.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Werbefotografie von Fahrzeugen eine prägende Rolle darin spielt, wie wir auf Autos schauen. Das zeigt sich nicht nur bei Bildern von Herstellern und professionellen Fotografen, sondern auch bei den vielen individuellen Nutzern von Rennspielen bzw. Videospielen mit Automobilen, die ihre Fahrzeuge screenshotten und teilen.

Forzatography

Eines der beliebtesten Rennspiele für die digitale Automotive Photography ist Forza Horizon 5. Das Spiel wurde von Playground Games entwickelt und von Xbox Game Studios im November 2021 veröffentlicht. Es ist der fünfte Teil der Forza Horizon-Serie und ein Open-World-Rennspiel. Dieser Teil spielt in einer fiktiven Darstellung von Mexiko und bietet dem Spieler die Möglichkeit, durch diese virtuelle Umgebung durchzufahren.

Eines der beliebtesten Rennspiele für die digitale Automotive Photography ist Forza Horizon 5. Das Spiel wurde von Playground Games entwickelt und von Xbox Game Studios im November 2021 veröffentlicht. Es ist der fünfte Teil der Forza Horizon-Serie und ein Open-World-Rennspiel. Dieser Teil spielt in einer fiktiven Darstellung von Mexiko und bietet dem Spieler die Möglichkeit, durch diese virtuelle Umgebung durchzufahren.

Das Herzstück des Spiels, welches es für die Untersuchung des Beitrages relevant macht, ist der Photo Mode oder zu Deutsch Fotomodus. Dieser Modus ist laut Herstellerangaben für das Festhalten von Lieblingsmomenten der Spieler im Spiel gedacht.

Oberflächlich wirkt der Photo Mode wie eine Spielerei zum Knipsen von In-Game-Fotos. Allerdings hat er viele Funktionen, die versteckt in einer Vielzahl von Einstellungen sind. Er kann jederzeit über einen Tastendruck aktiviert werden und friert die Szenerie ein. Dabei beachtet der Nutzer die Bewegung des Fahrzeuges und das Programm visualisiert direkt den Mitzieher-Effekt des Rolling-Shots.

Sobald das Bild eingefroren ist, erlaubt die Menüleiste eine Menge detailreicher Anpassungen. Von den klassischen Kameraeinstellungen wie ISO, Blende, Verschlusszeit, Objektivbrennweite bis hin zur Manipulierbarkeit von Zeit, Wetter und der Einblendung von Gitterlinien zum Zwecke der Komposition. Die virtuelle Kamera kann sich frei im Raum bewegen und das Fahrzeug aus gewohnten und außergewöhnlichen Perspektiven fotografieren.

Ist das Foto erstellt, gibt es noch weitere Anpassungen, wie zum Beispiel: Farbkorrekturen, Filter oder Spezialeffekte. Wenn die Individualisierungen abgeschlossen sind, wird das Foto auf dem Profil des Spielers auf Forza.net veröffentlicht.

In Anbetracht all dieser Möglichkeiten ist die Betrachtung des Photo Mode als einfache Screenshot-Funktion stark vereinfacht. Der Modus fasst Elemente der traditionellen Kamerafotografie und der digitalen Bildbearbeitung ein und wird dadurch zu einem Tool, welches die Erstellung, Bearbeitung und Distribution der Bilder übernimmt.

Forza Horizon 5 wird von knapp 40 Millionen Spielern gespielt. Einige von diesen Spielern nutzen den Photo Mode um eigene Bilder zu kreieren und sie auch auf anderen Plattformen zu teilen. Unter dem Hashtag #Forzatography sind auf Instagram bereits über 230.000 Beiträge zu finden und auch auf anderen Plattformen wie Reddit, Flickr oder dem Forza eigenem Forum Forza.net werden regelmäßig Bilder geteilt.

Mit dem Posten der Bilder hat sich eine eigene Community gebildet, in der Guides erstellt werden, die die Funktionen des Photo Mode nochmal im Detail erklären und wie man diese am besten einsetzt. Einige Nutzer meistern das Tool und nutzen ergänzend weitere Software zur Bearbeitung. Verwiesen wird in den Guides auf Gimp, Photoshop, LuminarAI und weitere Bildbearbeitungssoftware.

forza_photography_guy

Abb. 3: forza_photography_guy, Instagram, 2024

Einer der vielen Accounts, welcher bearbeitete Screenshots des Spiels teilt, ist forza_photography_guy (Abb. 3). Er ist einer der erfolgreichsten nicht kommerziellen Accounts und konnte schon bei mehreren Fotowettbewerben in Subcommunitys, wie zum Beispiel @thelightclubofficial oder @visuallytalented gewinnen. Seine Werke wurden mehrfach von den offiziellen Accounts von Forza reposted und innerhalb der Community ist er mit über dreitausend Followern auch einer der größeren Accounts, die sich ausschließlich mit der In-Game-Fotografie beschäftigen.

Der Account ist darauf ausgerichtet, hochqualitative In-Game Photography von Forza Horizon 5 anzufertigen. Als Teil größerer Communities teilt er unter dem Hashtag #Forzatography aufwendig produzierte und qualitativ hochwertige Bilder. Er beschränkt sich nur auf Bilder, die mit Forza Horizon 5 aufgenommen wurden.

Die Fahrzeuge verschiedener Hersteller, in der Regel Sport- oder Rennfahrzeuge, werden an verschiedenen Orten abgebildet. Überwiegend werden die Fahrzeuge auf asphaltierten Straßen in landschaftlichen oder städtischen Umgebungen gezeigt.

Alle Bilder, die der Account veröffentlicht, sind auf Instagram und TikTok sichtbar, wobei der Fokus der unbeweglichen Bilder primär auf Instagram liegt. Der erste Post erfolgte am 1. September 2022. Seitdem hat der Account innerhalb von zwei Jahren über 150 Bilder erstellt, editiert und geteilt.

Die Videospielreihe ist bereits seit dem zweiten Teil aus dem Jahr 2014, für dessen Photo Mode bekannt und kommuniziert Updates zu den Features des Modus immer wieder auf ihren Kanälen. Der forza_photography_guy sowie viele weitere Spieler werden so dazu animiert neue Bilder zu erstellen und zu teilen.

Beispielsweise werden besonders gute Bilder auf dem Forzas Hauptkanal mit knapp einer Millionen Followern reposted. Das geschieht mittels Drittanbieter Tools wie Repost for Instagram, Regram oder InstaRepost, die von der Plattform die Daten extrahieren und dann als Post auf dem eigenen Profil veröffentlichen. Der offizielle Kanal fragt die Nutzer individuell an und veröffentlicht sie mit deren Einverständnis.

Auf der eigenen Community-Seite von Forza.net werden wöchentlich und monatlich Wettbewerbe für die besten Fotos in verschiedenen Kategorien ausgelobt. Der beschriebene Account wurde ebenfalls schon als Sieger einiger Wettbewerbe auserkoren und ist darüber hinaus auch in Subcommunitys beteiligt.

Der forza_photography_guy bietet im Gegensatz zu vielen anderen ähnlichen Nutzern einen Einblick in die Machart seiner Screenshots. In seinen Story-Highlights zeigt er an, welchen Locations er die Bilder aufgenommen hat, mit welchen Anpassungen er sie zusätzlich nachbearbeitet hat und welche Einstellungen er auch In-Game zur Anfertigung ausgewählter Screenshots verwendet. Dieser Einblick zeigt die Arbeit, die hinter der Anfertigung der Screenshots steckt: Locationscouting, In-Game-Anpassungen, Fahrzeugposition oder Bewegung sowie die Weiterverarbeitung in Lightroom bis hin zum Post auf Instagram.

Bei den Aufnahmen handelt es sich nicht um einfache Dokumentation des Rennens oder das Einfangen von Lieblingsmomenten. Es sind vielmehr konstruierte und stilisierte Bilder, die einen Werbeeffekt für die Fahrzeuge, das Spiel selbst und auch für den Account haben. Zwar verkauft weder Forza noch der Instagram Account die Bilder, trotzdem bewerben die Bilder das Spiel und insbesondere den Fotomodus, unabhängig davon, ob die Nutzer das wollen oder nicht.

Standardmäßig sind die Screenshots mit dem Logo des Spiels versehen, auch wenn die geübten In-Game-Fotografen das Logo meist durch Zuschnitt oder Bearbeitung entfernen. Die Caption der Beiträge weist in der Regel auch auf das fotografierte Fahrzeug und auf das Spiel hin. Der Hashtag #Forzatography macht die Bilder ebenfalls als Screenshots erkennbar. Forza Horizon 5 hat es geschafft, eine Vielzahl von Nutzern zum User-Generated Advertising zu animieren, auch wenn die meisten vermutlich bei ihren Screenshots nicht an Werbung denken.

Ironischerweise produziert forza_photography_guy stellvertretend für viele weitere Accounts Hochglanz-Werbebilder. Mit Blick auf zwei der Posts fällt auf, dass es Parallelen zwischen dem nutzergenerierten Content und der kommerziellen Werbefotografie gibt. Sie zeigen eindrücklich, wie sich die Machart von Fahrzeugfotografie aus der Werbefotografie auch bei Nutzern von Forza Hoirzon 5 manifestiert hat.

ferrari, Instagram

Abb. 4: ferrari, Instagram, 2024

forza_photography_guy

Abb. 5: forza_photography_guy, Instagram, 2024

In der Abbildung ist ein Ferrari 296 GTS zu sehen vom offiziellen Account von Ferrari auf Instagram (Abb. 4). Das Foto ist ebenfalls in einem Printprodukt von Ferrari zu finden und wird zum Bewerben des Fahrzeuges verwendet. Im Screenshot sieht man ebenfalls einen Sportwagen, genauer gesagt ein Chevrolet ZR1 (Abb. 5). Bei Betrachtung der beiden Static-Shots der Fahrzeuge fällt die identische Inszenierung der Fahrzeuge auf. Die Kameraperspektive sowie die Brennweite scheinen ähnlich gewählt worden zu sein. Der Horizont verläuft in beiden Bildern geradlinig im Hintergrund und die Farben werden durch die Fahrzeugfarben und die Farben des jeweiligen Himmels bestimmt. Mit etwas Aufmerksamkeit lässt sich erkennen, dass der Ferrari zusätzlich künstlich mit einer Lampe oder Blitz beleuchtet wird. Im direkten Vergleich zwischen den beiden Bildern sind kaum bildkompositorische oder stiltechnische Unterschiede zu erkennen.

Auch die Fototechnik des Rolling-Shots hat es in das Repertoire des Forza-‚Fotografen‘ geschafft. Eine Besonderheit dieses Shots ist, dass dieser In-Game nur hergestellt werden kann, indem der Spieler während einer Fahrt den Photo Mode startet. Abhängig von der Geschwindigkeit des Fahrzeuges ist die Verzerrung des Hintergrundes unterschiedlich stark. Was allerdings nicht passieren kann, ist, dass das Fahrzeug selbst verzerrt wird – zumindest nicht innerhalb des Photo Mode. Damit wird die größte Schwierigkeit des Rolling-Shots, das Verzerren des Fahrzeuges selbst, bereits eliminiert. Das Spiel ermöglicht es dem Spieler einen, rein technisch gesehen, immer perfekten Screenshot zu generieren.

astonmartin, Instagram

Abb. 6: astonmartin, Instagram, 2024

Rolling-Shots gehören auch heute noch zum Arsenal professioneller Fotografen. Aston Martin wirbt ebenfalls auf ihren Marketingkanälen mit solchen Fahrzeugbildern (Abb. 6). Dabei werden Fahrzeugmodelle aus der aktuellen Produktpalette gezeigt und passende Produktfotos erstellt. In diesem Beispiel wird der Aston Martin DB12, welcher auch spielbar in Forza Horizon 5 ist, auf einer Serpentinenstraße während der Fahrt gezeigt.

forza_photography_guy

Abb. 7: forza_photography_guy, Instagram, 2023

Zum Vergleich zeigt der Screenshot dasselbe Fahrzeugmodell, einen Aston Martin DB12, in Forza Horizon 5 in oranger Farbe (Abb. 7). Hier greift der Ersteller auf ähnliche Perspektiven wie der Produktfotograf zurück, um das Fahrzeug zu zeigen. Der Rolling-Shot wird ebenfalls auf einer Landstraße erstellt und zeigt viele Details der Karosserie sowie die Dynamik der Bewegung, durch die Verzerrung der Umwelt.

Innerhalb der Forza-Community wird oftmals darüber gesprochen, wie fotorealistisch die produzierten Bilder seien. Die Grenzen zwischen realem und virtuellem Bild verschwimmen, da die Präzision und Detailtreue der Screenshots die Realität nahezu perfekt imitieren. Der Fotorealismus in diesem Sinne spielt eine zentrale Rolle bei diesen digitalen Artworks, wo es darum geht, die physische Welt digital so nachzubilden, dass das Ergebnis für den Betrachter als real empfunden wird.

Die beiden Beispiele zeigen abermals starke Parallelen auf. Die Verwendung der gleichen Machart, die Wahl des Fahrzeugtyps, der Umgebung und die Wahl der Perspektive. Interessant daran ist, dass der Photo Mode von Forza dem Nutzer eigentlich viel mehr Freiheiten anbietet, als der Blick auf die Fotos verrät. Im Gegensatz zum Fotografen ist er nicht an eine materielle Kamera mit fest definierten Objektiven gebunden. Die virtuelle, frei bewegliche Kamera könnte sich ähnlich wie eine Drohne um das Fahrzeug herumbewegen und außergewöhnliche Perspektiven einfangen. Die Variabilität der Brennweite erlaubt es Nutzern, sowohl Fisheye- als auch Telebrennweiten zu verwenden. Trotzdem entscheiden sich die meisten Kanäle sowie forza_photography_guy für Perspektiven und Techniken aus der Werbefotografie wie in den vorangegangenen Beispielen gezeigt.

Werbefotografie

Einer der Gründe, warum viele der produzierten Screenshots der Werbefotografie ähneln, ist die Darstellung der Automobile innerhalb des Spiels. Die Hersteller der Fahrzeuge müssen dem Entwicklerstudio Lizenzen erteilen, um die Fahrzeuge im Spiel verwenden zu dürfen. Dabei ist nicht auszuschließen, dass diese auch einen Anspruch haben, dass ihre Fahrzeuge dementsprechend werbeästhetisch dargestellt werden. Forza bedient sich ebenfalls der Werbefotografie. Während der Ladezeiten im Spiel werden Kamerafahrten und Perspektiven wie aus der Fahrzeugwerbung gezeigt.

Werbefotografien wollen auffallen und animieren. Grundsätzlich will Werbung, wie keine andere öffentliche Kommunikation, erfolgreich sein, indem sie ein Produkt, eine Marke oder eine Nachricht an den Konsumenten bringt. Bilder fungieren bei der Kommunikation als „Schüsse ins Gehirn“, die Schlüsselbotschaften an den Konsumenten transportieren sollen. Werbefotos werden produziert, um das Produkt vom Rest der Branche abzuheben, um aufzufallen und im Gedächtnis der Kunden zu bleiben. Dies führt unweigerlich dazu, dass besonders ikonische Bilder nachgeahmt werden. Denn jeder Hersteller möchte hervorstechen, wie der jeweils andere. Das führt paradoxerweise dazu, dass die Werbebilder vieler Marken sich ähneln und Stile sich branchenweit annähern.

Hat sich ein visueller Standard erstmal etabliert, müssen neue kreative Lösungen gefunden werden. Diese Lösungen entstehen durch das Entwickeln neuer Kameratechniken, das Experimentieren mit Kamera und Licht oder durch technische Möglichkeiten durch neue Drohnen, Objektive oder Softwares. Der Rolling-Shot steht beispielhaft für eine dieser Innovationen.

Die Screenshots, die ohne Weiterverarbeitung erstellt werden, haben einen stark werbenden Charakter. Optische Schäden an Fahrzeugen und Umgebung, die während des Spiels geschehen, werden standardmäßig zurückgesetzt, sodass die Fahrzeuge im besten Zustand erscheinen. Die Screenshots werden mit dem Wasserzeichen des Spiels versehen und vorerst auf Forza.net mit dem Nutzerprofil verknüpft. Daher legt die Vermutung nahe, dass der Photo Mode kein triviales Tool für kreative Köpfe ist, sondern Nutzer dazu animiert, User-Generated Advertising zu produzieren und zu publizieren.

Die Hürden werden gesenkt und Kontaktpunkte mit dem Tool künstlich hergestellt, um den Nutzer dazu zu verleiten, es im Sinne des Spielmachers zu verwenden. Außerdem sind in dem Spiel immer wieder Affordanzen sichtbar, den Photo Mode zu nutzen. Beispielsweise indem Ladebildschirme das Fahrzeug cineastisch darstellen oder Spieler zu Fotochallenges oder Fotomissionen eingeladen werden.

Bei den Missionen müssen Spieler zu bestimmten Locations innerhalb des Spiels fahren, um dort einen Screenshot aufzunehmen. Die Challenges fügen dem ganzen noch einen Erlebnischarakter hinzu, indem man Fahrzeuge beim Driften, in der Luft oder bei hohen Geschwindigkeiten fotografieren soll.

Während der Events wird auch nur selten von Screenshots gesprochen, sondern von der Anfertigung von Photos in Photo Locations oder von Photo Challenges. Das Wording um diesen Photo Mode lässt eigentlich keine Fehldeutung zu. Lediglich im technischen Speicherprozess fällt die Bezeichnung „Screenshot wird gespeichert“ auf.

Neben diesen Affordanzen wird der Spieler allerdings auch gezwungen, den Photo Mode zu nutzen. Zu Beginn muss der Spieler diesen mindestens einmal nutzen, um weitere Spielfortschritte zu erzielen und auch in späteren Missionen ist das Freischalten bestimmter Spielinhalte damit verbunden.

Spieler von Forza und insbesondere intensive Nutzer des Photo Mode orientieren sich an den Werbebildern. Das liegt einerseits an dem offensichtlichen Einfluss der Hersteller auf die Darstellung ihrer Fahrzeuge, andererseits an dem etablierten, branchenweiten Stil, der sich mittlerweile nicht nur auf Broschüren und Flyer begrenzt, sondern auch auf Sozialen Medien wiederfindet. Die ikonischen Bilder, die die Automobilindustrie über Jahrzehnte produziert hat, sind in den Köpfen der Nutzer durch permanente Werbung präsent.

Abb. 8: NathClaridge, Reddit, 2020

Im direkten Vergleich der Screenshots und der Werbefotografie sind viele Analogien zu finden. Manche Nutzer treiben es sogar auf die Spitze und designen eigene Werbeplakate mit Screenshots, die sie selbst angefertigt haben (Abb. 8). Diese bestehen in der Regel aus einer Wort-Bild-Marke, einem Claim sowie einem Subclaim. Kurzum müssen auf den Plakaten das Logo und das Produktversprechen sichtbar sein. Eine Parallele, die die Nachstellung von Werbeplakaten durch Forza-Spieler besonders interessant macht, ist die Übernahme von Verbrauchs- und Co2-Werten, die in der Automobilwerbung gesetzlich vorgesehen sind.

Bei der aktuellen Betrachtung sind viele der Screenshots stark von der kommerziellen Fotografie der Automobile inspiriert. Allerdings könnte sich das Verhältnis und insbesondere die Gewichtung zwischen den beiden Seiten verändern. Erste Ansätze sind bereits zu beobachten. Beispielsweise lassen Hersteller Werbebilder rendern, anstatt die Fahrzeuge in der Realität fotografieren zu lassen. Ebenso sind auch wechselseitige Inspirationen durch digitale Fotografie immer wieder zu beobachten, wenn Fotografen Look-Books, eine Sammlung von Farben und Bildern als Vorbilder für ein Shooting, mit Hilfe von Screenshots erstellen.

Außerdem könnte auch hier, ähnlich wie in der Automobilindustrie, der Aspekt des Sich-Abhebens von der Konkurrenz eine Rolle spielen. Digitale Foto-Tools bieten Nutzern neue Möglichkeiten, ungewöhnliche Bilder zu erstellen und sich von kommerziellen, zweckgebundenen Stilen zu lösen. So könnte die frei bewegliche Kamera in Forza Horizon 5 neue Perspektiven eröffnen oder andere Kontexte aufzeigen, in denen die Fahrzeuge dargestellt werden. Dennoch weisen viele der Screenshots eine bodennahe Perspektive und ähnliche fotografische Techniken wie aus der Werbefotografie auf.

Die Bildsprache aus Film, Fernsehen, Social Media und anderen Werbeformaten findet ihren Weg in die Screenshots der Nutzer. Sei es durch Inspiration, Prägung oder Vergleiche. Statt ungewöhnliche oder experimentelle Aufnahmen zu generieren, wird häufig den Hochglanz-Werbebildern der Produktfotografie nachgeeifert. Das Automobil wird zum Sehnsuchtsobjekt, das perfektionistisch inszeniert wird. Verzerrungen, Unschärfen oder Vogelperspektiven werden vermieden, um das Fahrzeug zu idealisieren und in den Fokus zu rücken, obwohl das Fahrzeug selbst nur digital existiert.

Im Fall vieler Hypercars, die besonders häufig bei Screenshots aus Forza Horizon 5 vorzufinden sind, handelt es sich um Autos, die für die meisten Nutzer unerreichbar sind. Es wirkt, als würden die Screenshots nach den Maßstäben der Produktfotografie erstellt, entwickelt und beurteilt. Sie zeigen die Fahrzeuge als idealisierte Abbilder eines Produkts und vernachlässigen dabei die Freiheiten der digitalen Tools sowie die Realität, wie die Automobile auf der Straße tatsächlich aussehen – als würden die Nutzer in Werbebildern denken.