Das digitale Bild und die Wissenschaftskommunikation: Der erste Twitter Take Over
Ende Januar 2022 startete das Schwerpunktprogramm „Das digitale Bild“ mit einem neuen Format der Wissenschaftskommunikation für Social Media – dem Twitter Take Over. Twitter Take Over sind eine besondere Form der Wissenschaftskommunikation, die kreativen Umgang mit Social Media und die niedrigschwellige Ansprache sowohl zu Peers als auch zu jeder*m Interessierten ermöglichen. Auf dem Workshop des Schwerpunktprogramms im November 2021 an der Philipps-Universität Marburg hatte ich diesem Take Over vorgeschlagen. Anna Prianka Schmidt und ich (Projekt „Hinter dem digitalen Bild. Fotografien auf Community-Plattformen und auf Twitter als Repositorien für maschinelles Lernen und journalistische Publikationen“) entwickelten im Winter 2021 eine auf den Twitter Account des Schwerpunktprogramms @dasdigitalebild zugeschnittene Handreichung, um für alle Projektteilhabenden des Schwerpunktprogramms einen Überblick für Möglichkeiten und Strategien dieser digitalen Form der Wissenschaftskommunikation zu geben.
Die wichtigsten Aspekte seien hier knapp zusammengefasst:
• Ziel eines Twitter Take Overs ist, die Sichtbarkeit zu erhöhen. Damit ist sowohl die eigene Sichtbarkeit der Forschenden als auch die Sichtbarkeit des Schwerpunktprogramms gemeint. So können sowohl fragmentierte als auch sich überlappende Zielgruppen zusammengeführt werden.
• Auch die sogenannten Engagementrate und die Zahl der Follower kann durch einen Twitter Take Over steigen. Damit ist gemeint, dass es vermehrte Interaktionen mit anderen Twitter Nutzern und Nutzerinnen gibt.
• Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Interaktionen anzustoßen. Dies können zum Beispiel Umfragen sein, der Einsatz von Fotografie (was sich besonders bei einem Forschungsprogramm zum digitalen Bild eignet), Verweise auf individuelle und gemeinschaftliche Publikationen, Fragen an die Nutzerinnen und Nutzer nach eigenen Vorlieben oder Tipps, beispielsweise zu Podcasts über Fotografie (#Follower Power), sowie das direkte Ansprechen anderer Twitter Nutzerinnen und Nutzer, die vielleicht zum selben Thema forschen, eine passende Publikation veröffentlicht haben oder dem Schwerpunktprogramm auf andere Art und Weise vielleicht sogar bereits verbunden sind.
• Twitter Take Over können mit anderen Formen digitaler Publikation verbunden werden. So haben wir zum Beispiel es uns zum Ziel gesetzt, die jeweiligen Twitter Take Over auf unserem Forschungsblog „Das digitale Bild“ zu dokumentieren, um sie dem publizistischen Tagesgeschäft auf höchstfluiden Social Media Kanälen zu entreißen. Diese Dokumentation können neben den als Screenshots archivierten Tweets auch weiterführende Literaturlisten enthalten, oder Recherchen, die man im Vorfeld des Twitter Take Over durchgeführt hat, transparent darstellen.
Das Konzept des wissenschaftskommunikativen Twitter Take Over geht zurück auf die @realscientists, die auch auf ihrer Webseite zu ihrer rotierenden Twitter-Kuration einladen: „Real Scientists is about the people who never stopped asking. Real Scientists (@realscientists) is a rotational Twitter account featuring scientists, researchers, clinicians, writers, communicators and policy makers talking about their lives and their work.“ Im deutschsprachigen Raum steht das Twitterhandle @realsci_DE für dieses Konzept. Begleitend zum Twitter-Account werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aus ihrer Forschung auf diesem Account berichten, zugleich für das RealSciDE-Blog vorgestellt und interviewt.
Gerade in Zeiten zunehmenden Wissenschaftsskeptizismusses kann Twitter eine gute Möglichkeit sein, auf eigene Themen, Methoden, Erkenntnisse aufmerksam zu machen – und sich dabei auch aus dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm der Universität herauszubewegen: Wissenschaft ist Teil der Gesellschaft und Wissenschaft und Gesellschaft sollten in einem Dialog zusammentreten. Auch kann im Rahmen von Take Overs ebenso wie der Bespielung eines individuellen öffentlichen Accounts auf Ereignisse der Gegenwart reagiert werden, beispielsweise die visuelle Umsetzung in Wahlkämpfen oder die Bebilderung von Kriegsgeschehen in journalistischen Medien. Ein Vorteil eines Twitter Take Overs kann auch sein, wissenschaftliche Erkenntnisse niedrigschwellig zu vermitteln, etwa durch Ansätze der Gamifizierung, und durch eine publikumsnahe Sprache auch Menschen anzusprechen, die sich ansonsten vielleicht scheuen, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Kontakt zu treten.
Im Vorfeld meines Twitter Take Overs überlegte ich mir, welche Elemente ich nutzen und was ich ausprobieren wollte. Ich stellte Publikationen des Schwerpunktprogramms vor, die Open Access zugänglich sind, das heißt ohne Bezahlschranke für jede*n zur Verfügung stehen, um somit auch gezielt allgemein an digitaler Fotografie Interessierte anzusprechen und zu zeigen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht immer in teuren und/oder unzugänglichen Journals zu finden sind. Dies waren sowohl gemeinschaftliche, englischsprachige Publikationen des Schwerpunktprogramms wie die Special Issue “The Digital Image – A Transdisciplinary Research Cluster” des International Journal for Digital Art History (2021), als auch eigene individuelle Artikel wie beispielsweise mein Artikel “Para-Fotojournalismus: Vernetzte Bilder zwischen Profession und Partizipation. Zur Theorie des digitalen Bildes” (2021).
Unter dem Hashtag #7days7photos, der vor einigen Jahren als virtueller und visueller Kettenbrief auf Twitter sehr populär war, versuchte ich, an jedem Tag meines Take Overs ein Foto zu posten. Ich nominierte gezielt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – auch anderer Disziplinen –, den Hashtag aufzugreifen und eigene Fotos ‚zurückzuschicken‘. Zudem machte ich auf neue Vermittlungsarten von und über digitale*r Fotografie aufmerksam, beispielsweise Podcasts, die sich mit Fotografie beschäftigen: Sowohl im englischsprachigen als auch im deutschsprachigen Raum wird ein visuelles Medium wie die Fotografie mit ihren Themen, Fragestellungen, Protagonistinnen in ein auditives Medium transferiert.
Öffentlich sichtbar war, dass sich täglich die Zahl der Follower des Accounts des Schwerpunktprogramms änderte, und zwar nach oben. Die Followerzahlen stiegen, und das erhöhte Interesse am Twitter Account des Schwerpunktprogramms schlug sich auch in den nicht-öffentlichen Social Media Analytics nieder. Was dem einen oder der anderen eventuell einen nicht sehr wertschätzenden Kommentar zur angeblichen Übernahme der Wissenschaft durch die Werbeindustrie abnötigt, wird von anderen durchaus begrüßt: Gerade durch öffentliche Gelder geförderte Forschungen sollten die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft nicht nur bedienen, sondern ausbauen.
Ende Februar 2022 performte Prof. Dr. Hubertus Kohle von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der bereits als höchst aktiver und passionierter Twitterer bekannt und auch als einer der Gründer und Koordinatoren des Schwerpunktprogramms geschätzt ist, seinen Take Over. Ende März 2022 stellte Anna Prianka Schmidt (Universität zu Köln) bengalische Fotofestivals und Fotojournalistinnen vor, und präsentierte täglich als (auch) visuelles Element einen Fakt über ein historisches oder gegenwärtiges Foto.
Wir freuen uns auf weitere Übernahmen des Twitter Accounts des Schwerpunktprogramms „Das digitale Bild“. Gerne dokumentieren wir auf unserem Blog diese Take Over und freuen uns auf Rückmeldungen und Interaktionen.
Twitter Take-Over Schedule – Liste der Teilnehmenden und ihrer individuellen Twitter-Handles:
Januar 2022: Dr. Evelyn Runge, Universität zu Köln, @evisualyn
Februar 2022: Prof. Dr. Hubertus Kohle, Ludwig-Maximilians-Universität München, @hkohle
März 2022: Anna Prianka Schmidt, Universität zu Köln, @anna_prianka
April 2022: Architecture Transformed, Philipps-Universität Marburg/Brandenburgische-Technische Universität Cottbus-Senftenberg, @HubertLocher
Die einzelnen Projekte des Schwerpunktprogramms “Das digitale Bild” sind auf unserer Twitter-Liste zu finden, der man auch folgen kann:
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